Netzteile: Wieso MTBF wenig über die Lebensdauer aussagt.

In diesem Aritkel erfahren Sie den Unterschied zwischen mittlerer statistischer Ausfallrate („Mean time between failure“ MTBF) und Lebensdauer. Ein Beitrag von Dr. Michael Heidinger.

Definition

Was überhaupt ist ein Ausfall bei Netzteilen?

Ein Ausfall kann sowohl abrupt als auch schleichend passieren. Ein Beispiel für einen abprupten Ausfall ist eine Glühbirne. Diese brennt meist bei dem Einschalten durch. Licht-emittierende Dioden (LED) hingegen altern langsam und verlieren kontinuierlich an Leuchtleistung.

Eine klare Ausfalldefinition hängt von der Anwendung ab. Ein mögliches Kriterium könnten sein, ob noch x% der spezifizierten Ausgangsgröße bereitgestellt werden kann. Bei LEDs könnte dies Lumen sein, bei Batterien die Kapazität in Amperestunden oder bei Netzteilen die Peakleistung. Dies lässt aber andere wichtige Stabilitätskriterien außer acht, wie z. B. den Peakstrom bei Batterien oder den Ausgangsripple bei Netzteilen. Daher sollten für alle wichtigen Größen Grenzwerte definiert sein.

Und was sind Ausfälle bei Netzteilen?

Ein Ausfall bei Netzteilen kann sowohl abrupt als auch schleichend passieren. Eine klare Ausfalldefinition bei Netzteilen ist dem Autor bisjetzt nicht bekannt. Ein mögliches Kriterium könnten sein, ob noch 90% der spezifierten Leistung geliefert werden können. Dies lässt aber andere wichtige Stabilitätskriterien außer acht, wie z.B. den Ausgangripple. Dies ist besonders bei Netzteilen mit Elkos relevant, da hier der Siebelektrolytkondensator ein häufiger Ausfallkandidat ist. Ein zu hoher Ausgangsripple kann ebenso zu einem Totalausfall des nachfolgenden Systems führen. Von daher sollte sich die Netzteil-Community darüber Gedanken machen, welche Kriterien alle erfüllt sein müssen, um das Netzteil als funktional zu werten. Aktuell ist hier noch vieles offen.

Ausfallcharakteristik

Nehmen wir mal nun an, man hätte sich auf einen gemeinsamen Standard geeinigt. Wie würden dann die Ausfälle aussehen? Laut Online-Literatur, folgt dieser der Badewannenkurve (Quelle Wikipedia).

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Zuerst hat man die Kindersterblichkeit, die z.B. auf Produktionsfehler zurückzuführen sein können. Hier hat man zuerst eine hohe Ausfallrate. Diese sinkt dann mit der Zeit.

Dann folgt die konstante statistische Ausfallrate, oft auch als MTBF bezeichnet. Diese ist in der Grafik in grün eingezeichnet. Die Inverse der Ausfallrate mit einer Milliarde multipliziert ergibt nun die FIT rate. FIT steht dabei für FailuresIn Time. Die FIT-Werte werden summiert. Die Inverse der Summe ergibt nun die statistische Ausfallrate.

Nach dem Überschreiten der Lebensdauer steigt die Ausfallrate dann deutlich an. Dies bezeichnet man nun als Lebensdauer. Diese ist in gelb in der Grafik eingezeichnet.

Mittlere statistische Ausfallrate (MTBF)

Unter der mittleren statistischen Ausfallrate (auch manchmal nur als statische Ausfallrate bezeichnet) wird verstanden, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Gerät in der zweiten Sektion der Badewannenkurve ausfällt. In der Praxis nutzt man statische Ausfallraten von Herstellern auf Tabellenbasis. Manche Halbleiterhersteller bieten hier auch ein gutes MTBF Nachschlagewerkzeug. Als Beispiel sei hier Texas Instruments genannt. Für den Operationsverstärker LM324D, erhält man eine Ausfallrate von 0.7 FIT. Eine Schaltung die nur 1 Operationsverstärker besitzt (sonst nichts) würde im Mittel alle 1.4 Milliarden Stunde ein Operationsverstärker ausfallen. Dies entspricht ca. 160 000 Jahren.

Nehmen wir an, wir verbauen 25 Komponenten in einem Netzteil. Wir nehmen eine mittlere (vollkommen überhöhte) FIT-Rate von 40FIT/Komponente an, würde die Schaltung unter dieser Annahme statistisch im Mittel über 1 Million Stunden funktionieren. Aber nicht so lange leben, woran liegt das? Denn die FIT/MTBF Rate beschreibt nur den mittleren, grünen Bereich der Badewannenkurve. Sie trifft keine Aussage über die Lebensdauer.

In der Elektronik sehen wir sehr gute FIT Raten, die die Realität, zumindest bei Netzteilen, nicht widerspiegeln. Vossloh Schwabe garantiert z.B. für seine elektronischen Vorschaltgeräte eine Lebensdauer 30 000 Stunden. Ein Standard-Elektronikprodukt erreicht leicht 500 000h bis 1 000 000 Stunden. Dies entspräche einer mittleren Ausfallrate von 57 bis 114 Jahren.

Zusammenfassung: Daher muss man für Ausfallbetrachtungen, unabhängig von einem Produkt sowohl die Kindersterblichkeit, die statische Ausfallrate und die Lebensdauer betrachten. Die Kindersterblichkeit ist binnen weniger Stunden überstanden und wird meist durch die Gewährleistungspflicht des Herstellers gedeckt. Diese Ausfallursache lässt sich mit burn-in Tests außerdem entgegenwirken.

Lebensdauer

Die Lebensdauer hingegen beschreibt, wann ein Gegenstand soweit gealtert ist, dass die Ausfallrate deutlich ansteigt. Altert die Isolation der Kabel, z. B. durch erhöhte Temperatur, wird diese brüchig und steigt die Wahrscheinlichkeit von Kurzschlüssen deutlich.

Betrachtet man die Lebensdauer bei Netzteilen, ist hier der Elektrolytkondensator eine Betrachtung wert. Denn das dort verbaute Elektrolyt kann, speziell bei höheren Temperaturen, austrocknen und führt dazu das der Kondensator seine Kapazität verliert. Die Ausfallwahrscheinlichkeit des Netzteils steigt zwar auch, allerdings wird die Alterung nicht in der MTBF betrachtet. Verzichtet man nun auf Elektrolytkondensatoren, kann diese Ausfallkomponente vermieden werden. Zwar altern andere Kondensatoren, wie Folien- oder Keramikkondensatoren auch. Jedoch deutlich langsamer.

Eine weitere Lebensdauerbeschränkung bei Netzteilen ist der Lüfter. Dieser sammelt den in der Luft vorhandenen Staub im ggf. vorhanden Luftfilter oder verstopft Kühlkrippen. Ein verstaubtes Kühlsystem sorgt für höhere Temperaturen und fördert die Alterung von Elkos, Leistungshalbleitern und anderen Komponenten.

Fazit im Allgemeinen

Um die Lebensdauer eines Produktes einschätzen zu können, ist es wichtig alle drei Faktoren zu betrachten:

  1. Kindersterblichkeit
  2. Statistische Ausfallwahrscheinlichkeit
  3. Lebensdauer

Meist wird die Kindersterblichkeit durch die Gewährleistung und/oder die Qualitätssicherung des Herstellers abgefangen. Folglich sind nur zwei Größen für den Einkäufer wichtig.

Und was muss man nun konkret bei Netzteilen beachten?

Generell wurde oben gezeigt, dass elektronische Schaltungen eine sehr geringe statische Ausfallrate haben. Eine typische mittlere Ausfallrate von 57 bis 114 Jahren kann erreicht werden. Die wirkliche Herausforderungen bei Netzteilen ist die Lebendsdauer, die durch Verschließ auftritt. Das kann ein Lüfter sein, der verstaubt oder ein Elektrolytkondensator der sein Elektrolyt verdampft. Folglich sollte man bei Netzteilen auf die spezifizierte Lebensdauer achten und nicht auf die MTBF Rate.

Welche Kriterien deuten auf eine lange Lebensdauer hin?

Das erste Qualitätskriterium für Netzteile sollte sein, ob das Datenblatt alle Werte nennt. Solle diese Werte nicht im Datenblatt genannt werden, kann sich mit folgenden Kriterien beholfen werden:

  1. Kein Lüfter
  2. Keine Elektrolytkondensatoren
  3. Keine mechanische Bauteile wie Relais.
  4. Keine Optokoppler, welche mit der Zeit an Leuchtleistung verlieren.

Diskussion erwünscht!

Sie möchten sich weiter mit mir über die Thematik austauschen oder sehen einen Punkt anders? Gerne können Sie mich jederzeit ins Gespräch treten!

Netzteile mit einer Lebensdauer von 70 Jahren

Unsere Hightec-Netzteile setzten auf Folienkondensatoren, statt Elektrolytkondensatoren. Dadurch haben wir in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie 70 Jahre Lebensdauer demonstriert. Bei mehr als 20 ms Holdup Zeit.